EDITORIAL
Autor: Y. Han · Ausgabe 12/2020
Geht es auch Ihnen so, dass Sie in letzter Zeit eine Vielzahl von Themen bewegen? Das Jahresende ist für viele traditionell die Gelegenheit zurückzublicken, zu reflektieren und daraus folgend vielleicht auch wieder die berühmt berüchtigten guten Vorsätze zu fassen. Gerade das Jahr 2020, das uns immer wieder zum Daheimbleiben gezwungen hat, eignet sich für ein solches Revue passieren lassen. Denn: Es sind bewegte Zeiten, in denen alte Denkmuster aufgebrochen, neue Denk- und Lebensansätze angestoßen werden (können) und der einigermaßen aufgeklärte Mensch nochmals überprüft, wie er nachhaltiger leben und sich seinen Mitmenschen und seiner Umwelt gegenüber bewusster, liberaler und empathischer verhalten kann; es sind aber auch Zeiten, die einem aufs Neue bewusst machen, wie viele Themen noch immer erst am Anfang ihrer Aufarbeitung stehen und noch längst nicht alle Bereiche unserer Gesellschaft durchdrungen oder die nötige Präsenz erreicht haben. Sexismus in jeder Form ist ein Paradebeispiel, aber auch – das haben spätestens die Todesfälle von George Floyd und Breonna Taylor gezeigt – die gesellschaftskulturell tief in allen Gesellschaften verwurzelten rassistischen Denkstrukturen, die ebenso ganz sicher auch nicht vor der vermeintlich so vergeistigten Kulturbranche Halt machen.
Weiter →Umso mehr hat mich zum Abschluss dieses besonderen Jahres 2020 die Gelegenheit eines ausführlichen Gesprächs mit Lawrence Brownlee gefreut, der nicht nur über seine Kunst, sondern auch über seinen Weg als afroamerikanischer Opernsänger an die internationalen Opernbühnen und über sein Engagement für Gleichstellung und -berechtigung sprach. Es sind Gespräche wie diese, die einen noch lange beschäftigen, einem vielleicht auch die Augen öffnen über die Art und Weise, wie man mit seinen Mitmenschen umgegangen ist oder unbewusst über sie denkt. So verspannt und humorlos das einem zuweilen auch erscheinen mag, gerade wo es um vermeintlich harmlos gemeinte „Scherze“ geht – ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, es lohnt sich, festgefahrene Verhaltens- und Denkmuster ganz bewusst noch einmal zu überdenken, gerade jetzt zur Weihnachtszeit, der Zeit der Liebe und Einkehr.
Liebe Leser, zum Zeitpunkt der Endredaktion dieser letzten Ausgabe des Jahres 2020 ist leider noch nicht klar, was für ein Dezember uns erwartet – die Zeichen für einen vorweihnachtlichen Besuch von Balletten, Opern oder Theatern stehen schlecht, aber sollte sich die Prognose eines verlängerten Lockdowns bewahrheiten, können wir Sie vielleicht zumindest mit unserer alljährlichen Zusammenstellung an brandneuen Weihnachtsalben trösten. Wie in jedem Jahr ist für jeden Geschmack etwas dabei – Fröhlich-Beschwingtes wie Andächtig-Balsamisches, auch abseits der bekannten Pfade. Wir in der Redaktion haben da ganz unterschiedliche Favoriten, welche werden wohl Ihre sein…? Das Wichtigste ist: Machen Sie sich die Advents- und Weihnachtszeit schön, halten Sie die Lebensgeister aufrecht, und, um es mit Nikolaus Bachler von der Bayerischen Staatsoper zu halten: Bleiben Sie optimistisch, denn das ist man schon allein dem Leben schuldig.
In diesem Sinne von ganzem Herzen: Frohe Weihnachten!