EDITORIAL
Autor: R. Tiedemann · Ausgabe 12/2017
Glanz und Elend, Burleske und Drama, Komödie und Tragödie: Wie eng liegen die Extreme doch immer wieder beieinander – auf, vor und hinter der Bühne. Gerade das Musiktheater zieht ein Gutteil seiner Wirksamkeit aus diesem Spannungsfeld, von Librettisten clever erdacht, von Komponisten dankbar aufgegriffen und mit den raffiniertesten Mitteln genüsslich ausgekostet. Die ganze, große Gefühlspalette eben, die uns als Zuschauer so begeistert und zuweilen, ganz individuell, besonders intensiv trifft. Da hat sicher jeder von Ihnen, liebe Leser, seine eigenen Erfahrungen. In manchen Werken sind die emotionalen Fallhöhen so schwindelerregend, die musiktheatralischen Effekte so treffsicher gesetzt, dass sie auch nach x-fachem Hören und in jedweder Stimmung ihre Wirkung nicht verfehlen – erst recht, wenn in diesen Momenten, vorzugsweise live, eine außerordentliche künstlerische Leistung hinzutritt. Wie gern lassen wir uns dann von all dem, was da von der Bühne kommt, immer wieder neu bewegen, mitreißen, anregen zum Mitfühlen und Nachdenken.
Weiter →Die Künstler legen dafür in jeder Vorstellung aufs Neue ihr ganzes Herzblut in die Darbietung und werden am Ende im besten Fall mit jener Anerkennung ausgiebig belohnt, die sie verdienen und die sie sich vermutlich insgeheim immer ersehnen – ohne ihrer je vorab gewiss sein zu können. Von all der harten Arbeit im Vorfeld und der nicht selten brutal unmittelbaren Rückkehr in den Alltag ganz zu schweigen. Viele Sänger berichten uns immer wieder, wie wenig glamourös ihr Leben doch eigentlich ist, wie entbehrungsreich der Weg, wie beschwerlich und zuweilen mit einiger Überwindung verbunden das Aufstehen und Weitermachen nach Rückschlägen. Und dennoch gibt es immer wieder viele junge, oft aufregend talentierte Sängerinnen und Sänger, die diesen Weg aller Mühen und Widrigkeiten zum Trotz voller Begeisterung gehen mögen. Unsere aktuelle Titelkünstlerin Nadine Weissmann bezeichnet ihren Beruf sogar als den „schönsten der Welt“. Die unbedingte Einsatzbereitschaft und vollkommene Hingabe, mit der all diese Künstler Abend für Abend das Gesamtkunstwerk Oper zum Leben erwecken, sind ein Geschenk, für das wir als Publikum nur dankbar sein können.
Und ist es nicht auch ein großes Privileg, dass wir uns überhaupt mit einer so schönen, großartigen „Nebensache“ wie der Oper beschäftigen dürfen? Es ist wichtig, sich dieses Glücks bewusst zu sein und dabei gleichzeitig Bedeutung und Wirksamkeit dieser vielschichtigen Kunstform – kulturell, gesellschaftlich, politisch – wahrzunehmen und zu nutzen. Und sei es allein die rein emotionale Kraft des Gesangs. Joyce DiDonato hat daran gerade in einer engagierten, sehr berührenden Rede bei der ECHO-Verleihung erinnert, die nicht nur der Künstlerin selbst, sondern auch vielen Zuschauern im Saal Tränen der Ergriffenheit in die Augen steigen ließ. In der Tat: Wir müssen alle „noch lauter ansingen“ gegen all die Unbill einer immer weiter aus den Fugen geratenen Welt, mit noch mehr Ernsthaftigkeit Verantwortung wahrnehmen, noch stärker Einsatz zeigen für den Erhalt und die Förderung unserer Kultur.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen im Namen der gesamten Redaktion eine schöne, besinnliche Weihnachtszeit.
Apropos Weihnachten: Unser gerade in diesen Tagen besonders beliebtes Geschenkabonnement ist, wenn Sie jetzt bestellen, in jedem Fall rechtzeitig da zum Fest!