EDITORIAL
Autor: Y. Han · Ausgabe 10/2019
Alles ist im stetigen Wandel und stellt den Menschen in zunehmender Diversität und Komplexität immer wieder vor die Herausforderung, sich neuen Umständen, neuen Werten, neuen Gegebenheiten, neuen Erwartungen zu stellen, sich ihnen anzupassen oder sich die Frage zu stellen, „möchte ich mich anpassen? Und wenn ja, in welchem Maße?“.
Weiter →Das mag recht grundsätzlich klingen, und in der Tat betrifft diese Frage der permanenten Neujustierung die grundsätzlichen Fragen des Lebens und vor allem des Zusammenlebens im Lichte sich ändernder Normen und Standards. Es ist aber auch ein Thema, das in ganz unterschiedlicher Gestalt und Ausprägung auch nicht vor dem Erlebnis Oper/Kultur Halt macht. In der letzten Ausgabe haben wir den Brief eines langjährigen Lesers veröffentlicht, der seine kritische Sicht auf die mittlerweile recht freie Handhabung der Garderobenfrage beim Opernbesuch äußerte – kurz darauf folgte auf unserem Instagram-Profil (ja, „Das Opernglas“ ist auch in den sozialen Medien vertreten!) die Gegenansicht einer anderen regen Operngängerin und -liebhaberin, die das so heftig Beanstandete ebenso vehement verteidigte, als Ausdruck eines sich im Zeitgeist wandelnden, öffnenden und gegen das Image eines elitären Elfenbeinturms ankämpfenden Betriebs, dessen Türen jedem offen stehen sollen und müssen, unabhängig von seinem gesellschaftlichen Status – oder eben seiner Bekleidung.
Uns allen ist vor und beim Gang in die Oper, ins Theater sicherlich schon die Frage durch den Kopf gegangen „Bin ich over- oder underdressed…?“ Und wir alle haben uns sicherlich schon, gar nicht unbedingt urteilend, sondern ganz beiläufig diese oder jene Gedanken zu uns begegnenden neuen Erscheinungsformen und Prozederen gemacht. Was ist Ihre Meinung, liebe Leser*innen? Was bewegt Sie regelmäßig beim Besuch der Oper oder anderer Kulturbetriebe, und wie hat sich Ihr persönliches Erlebnis dessen im Laufe der Zeit möglicherweise gewandelt? Nehmen Sie das plötzlich klingelnde Handy mittlerweile als unvermeidbares Übel unserer Zeit hin oder wünschen Sie sich ähnliche Maßnahmen wie im New National Theatre Tokyo, wo Störsender das Problem auf ganz pragmatische Art und Weise lösen? Ihre Rückmeldungen, die uns immer wieder erreichen, sind ein lebhaftes Echo auf das, was Sie selbst erlebt, worüber Sie sich besonders gefreut oder auch besonders geärgert haben – live im Opernhaus, im Konzertsaal oder auch bei der Lektüre der aktuellen „Opernglas“-Ausgabe. Und wir nehmen jeden Brief, jede E-Mail und jeden noch so kurzen Instagram-Kommentar mit großem Interesse, die kritischen Töne durchaus auch mit Bedauern wahr, denn auch hinter den „Opernglas“-Kulissen stecken Menschen, die die Oper lieben und diese Liebe Monat für Monat auf den Ihnen vertrauten „Opernglas“-Seiten für Sie aufblättern.
Wir blicken gemeinsam mit Ihnen voller Vorfreude der jetzt begonnenen Saison entgegen, die in diesen Wochen allerorts mit spannenden Premieren ins Rollen kommt, und möchten auch Sie aufs Neue mitnehmen auf die uns erwartende Reise durch ein weiteres Opernjahr, das ohne Zweifel abermals reich sein wird an emotionalen, bewegenden, erhebenden, aber auch polarisierenden Momenten – aber was es auch sei, das Sie, liebe Leserin*innen, bewegen wird, das Schöne oder das Schlechte, um es ganz banal herunterzubrechen: Teilen Sie es, diskutieren Sie, plädieren Sie, schimpfen Sie (auch das muss zuweilen sein) und schwärmen Sie – aber seien Sie emotional, denn eines ist allem Wandel zum Trotz die Jahrhunderte hindurch gleich geblieben: Das Erlebnis Oper ist eines, das vor wie hinter der Bühne mit anderen geteilt und gemeinsam gelebt werden möchte.