Ausgerechnet auf einer Brücke: Die britischen Musiker eines Gastorchesters aus Manchester waren gerade im Bus unterwegs ins japanische Yokohama zum nächsten Konzert, als unter ihnen die Erde bebte. Ihre italienischen Kollegen aus Florenz probten in Tokyo »Tosca«, die Tschechen hielten sich weiter im Süden auf. Japan ist eine klassikbegeisterte Nation, westliche Hochkultur ist seit Jahrzehnten gefragt, die Nachfrage nach Tonträgern und Konzertkarten traditionell groß.
So verwundert es nicht, dass zum Zeitpunkt des verheerenden Bebens im März gleich drei große europäische Sinfonieorchester zu Konzerttourneen im Land waren das BBC Philharmonic Orchestra, das Czech Philharmonic Orchestra und das Orchester des Maggio Musicale Fiorentino. Die Italiener waren sogar mitsamt Stardirigenten, Solisten, Chor und kompletter Bühnenausstattung für eine große Gastspielrundreise mit mehreren szenischen Opernaufführungen nach Fernost geflogen. Die meisten Karten waren weit im Voraus verkauft, Vorfreude und Erwartungshaltung entsprechend groß. Nun wurden aus den erhofften musikalischen Großereignissen unvermittelt Veranstaltungen des Trostes inmitten einer apokalyptischen Katastrophe. Dann mussten alle drei Orchester doch noch ihre Tourneen vorzeitig beenden. Das Ausmaß des Infernos war nicht mehr zu kalkulieren. Es fällt schwer, angesichts der sprachlos machenden Ereignisse in Japan zu Themen zurück zu finden, die einem unvermeidlich klein und nichtig erscheinen müssen. Dabei haben sie durchaus ihre Bedeutung behalten. Kultur, Kunst und insbesondere der Musik wohnt zudem jene besondere gesellschaftlich einende, der Seele Halt gebende Kraft inne, die uns nach allen Widrigkeiten und Tiefschlägen immer wieder trösten, aufbauen, motivieren kann. Es tut gut, sich daran zuweilen erinnern zu können.
Von Motivation handelt auch eines unserer Themen dieses Monats: Wer Kinder und Jugendliche fördern will, muss sie fordern. Getreu dieses Mottos haben sich in Darmstadt zwei Institutionen, die beide in diesem Jahr Jubiläum feiern, zusammengetan, um jungen und jüngsten Komponisten eine Herausforderung der besonderen Art zu bieten: Sie hatten dazu aufgefordert, in kreativer Gemeinschaftsarbeit eine abendfüllende Oper für Publikum jeden Alters zu schreiben. Das Ergebnis feiert im April Premiere als vollwertige Neuproduktion auf der großen Bühne des Staatstheaters. Ein innovatives Wagnis, das im wahrsten Sinn des Wortes Schule machen sollte.
Lesen Sie außerdem die spannenden Gespräche mit drei ausgeprägt individuellen Künstlerpersönlichkeiten, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Der Dirigent und Komponist Hans Zender berichtet ausführlich von seiner Arbeit und erklärt die Verwendung und den Sinn von Zwölfteltönen. Die Schauspielerin und Kabarettistin Désirée Nick spricht in der von ihr gewohnten und direkten Art kompetent über ihren Zugang zum Musiktheater und die Herausforderung, die Ikone schrägen Operngesangs Florence Foster Jenkins darzustellen, sowie ihr Engagement beim Johann-Strauß-Festival der Dresdner Staatsoperette. Und für das Titelinterview konnten wir punkt - genau zur »Anna Bolena«-Premiere in Wien auch Anna Netrebko zu einem ausführlichen Gespräch bewegen. Für „Das Opernglas“ nahm sich die Sopranistin trotz Probenstress und anstehendem Rollendebüt gern eine Auszeit und plauderte entspannt und engagiert über Donizettis Königinnen, Wagner-Pläne, ein neues Stimmgefühl und die Licht- und Schattenseiten des Ruhms.