EDITORIAL
Autorin: Y. Han · Ausgabe 09/2022 | Die Sommer-„Pause“ ist vorbei, und wie Sie es von uns gewohnt sind, melden wir uns mit einer
ersten reichen Ausbeute an Impressionen von den einschlägigen Festspielhochburgen sowie dem Finale der zurückliegenden Saison zurück. Selbst als Corona noch das präsenteste unserer
inzwischen recht zahlreich gewordenen Probleme war, galten die Sommer als die „gute“ Zeit; der jetzige Sommer nun wurde und wird in der Breite als quasi erster post-Corona-Sommer betrachtet, doch knirschfrei ist das Gebälk der Opernszene bei allem Willen zur Normalität nach wie vor nicht.
Als letzter im Bunde der großen Festspiele ist Bayreuth dieses Jahr zu einem (fast) normalen
Festivalangebot zurückgekehrt, mit gleich zwei Neuproduktionen, da außer dem verschobenen
neuen »Ring« von Valentin Schwarz zusätzlich auch noch ein neuer »Tristan« aufgeboten wurde – begleitet vom üblichen Reigen an personellen Unruhen und kleineren Skandalen im Vorfeld, wie man sie vom Grünen Hügel allerdings fast schon gewohnt ist.%weiter%
Es ist überhaupt ein »Ring«-reiches Jahr – außer der Bayreuther Neudeutung, die immer wieder ein hoch antizipiertes, auf Jahre prägendes und beachtetes Großereignis darstellt, brachte der Festspielsommer auch die Fortsetzung von Brigitte Fassbaenders 2021 sehr erfolgreich gestarteter Tetralogie im Passionsspielhaus von Erl, und auch nach Ausklingen der Festivalzeit wird die bevorstehende Spielzeit uns die Vollendung des Stuttgarter Zyklus, unter der musikalischen Leitung vom inzwischen Bayreuth-gestählten Cornelius Meister, sowie die ebenfalls mit Spannung erwarteten zyklischen Aufführungen der von Dmitri Tscherniakov und Daniel Barenboim erarbeiteten Neuinszenierung an der Berliner Staatsoper bringen.
Wohin hat es Sie, liebe Leser, in diesem Sommer denn verschlagen? Der Sommer ist traditionell einerseits eine große Bühne für das Große und Spektakuläre, wofür Bregenz mit seiner Seebühne, Salzburg in all seiner Opulenz, Verona mit seiner Arena oder St. Gallens Kathedralhof exemplarisch stehen können. Aber Festspiele sind oftmals eben auch die große Stunde der „Kleineren“, die im Rahmen von Festivals Ungewöhnliches, Mutiges wagen, unter Einbeziehung
einer ganzen Region spannende künstlerische Programme auf die Beine stellen, innovativen und kreativen Output erbringen oder immer wieder mit viel Liebe und Herzblut einfach große Oper zeigen. Diese Tatkraft und Bedeutung gerade auch für Regionen kann nicht hoch genug wertgeschätzt werden. Wir freuen uns daher jedes Jahr aufs Neue darüber, wie vielfältig der Blick auf den Opernsommer immer wieder ausfällt, mit welcher Dichte und Breite das Angebot gerade auch im deutschsprachigen Raum gefächtert ist – ob italienische Evergreens à la »Madama Butterfly«, Rarität, Wagner oder Rossini: Der Sommer hält für uns alle etwas Schönes
bereit.
Erfrischende und kreative Impulse setzen auch die Interviews, mit denen wir uns zurückmelden –
mit Fatma Said und Ailyn Pérez kommen wieder zwei starke Frauen zu Wort, die mit ihren Botschaften und ihrem Blickwinkel den Diversitäts- und Gleichberechtigungsgedanken in der Opernszene weiter vorantreiben und wertvolle neue Impulse setzen können; aus dem schönen Portofino berichtet Francesco Daniel Donati darüber, wie er eine andere Art von Wettbewerb etablieren wollte – und besonders freut uns das kurze Update vom langjährigen „Opernglas“- Redakteur Söhnke Martens, der inzwischen mit „Mein Klassikabend“ für den Opernfreund im
Einsatz ist.
Wir freuen uns, wieder zurück zu sein – Sie hoffentlich ebenfalls! Eine schöne Lektüre wünscht
Ihnen||
Ihre Yeri Han