EDITORIAL
Autor: R. Tiedemann · Ausgabe 7-8/2017
Auf eines ist in diesem Sommer Verlass: Während uns das Wetter als prägende Konstante überwiegend turbulente Unbeständigkeit beschert, die Openair-Veranstalter wie -Besucher gleichermaßen zittern lässt, hält die Spannung auf den Bühnen konstant an. Die auslaufende Spielzeit schien sogar zum Finale hin noch einmal so richtig Fahrt aufnehmen zu wollen, um alsbald furios und noch unmittelbarer als ohnehin längst üblich in freudig erregtem Festspielfieber aufzugehen. Noch bis weit in den Juni hinein sorgten Premieren für Hochspannung, punktete manches Opernhaus mit einer letzten großen Saisonattraktion, garniert gar mit spektakulären Rollendebüts wie dem Otello-Wagnis von Jonas Kaufmann in London oder dem noch vor ihrer mit Spannung erwarteten ersten Aida bei den Salzburger Festspielen eingeschobenen Debüt von Anna Netrebko als Adriana Lecouvreur in Sankt Petersburg. Wir waren bei all diesen Ereignissen natürlich live vor Ort für Sie dabei.
Weiter →Wem es auf der Bühne noch nicht aufregend genug zugeht, dem wird, zumal zum Sommer hin, zumeist auch backstage einiges geboten. Während es in Bayreuth, traditionell gern für Überraschungen gut, in diesem Jahr bemerkenswert ruhig und entspannt zuzugehen scheint, beansprucht eine andere, erst jüngst überhaupt erst wieder ins internationale Blickfeld gerückte Kulturmetropole einen guten Teil der Aufmerksamkeit für sich: In Hamburg, seit der Eröffnung der Elbphilharmonie zu Beginn diesen Jahres zu einem weltweit diskutierten Topthema avanciert, haben die Erkenntnisse der vergangenen Monate – Stichwort Orchesterniveau der lokalen Klangkörper – zeitlich parallel zur Drucklegung dieser Ausgabe zu einer ersten Personalentscheidung geführt (Wechsel des Chefdirigenten beim NDR). Doch es bleibt eine Frage des Ganzen, der übergeordneten Strategie. Wie in allen ähnlich gelagerten Fällen ist die groß gedachte Perspektive gefragt: Der ungeheure, bewunderungswürdige Mut der Hamburger, sich allen Widrigkeiten zum Trotz einen derart visionären Musiktempel hinzustellen, muss einhergehen mit nicht minder idealistischen Weichenstellungen, die naturgemäß die hanseatische Kulturszene als Ganzes im Visier haben sollten und dabei auch die Staatsoper und das Philharmonische Staatsorchester nicht vernachlässigen dürfen.
Philippe Jordan, Titelkünstler unserer diesjährigen Festspiel-Ausgabe, kann da an der Seine geradezu aus dem Vollen schöpfen: An der Opéra National de Paris ist sein Orchester bereits so üppig besetzt, dass es in zwei komplette Großformationen aufgeteilt werden kann, die er als musikalischer Chef des Hauses auch gern mal en bloc parallel in zwei Spielstätten, in der Bastille und im Palais Garnier, dirigiert. Und auf dem Grünen Hügel gelangen eh nur die Besten unter den Instrumentalisten in die Orchesterformation, die im berühmten unsichtbaren Graben Platz nehmen darf. Beste Voraussetzungen also für gelungene »Meistersinger«? Die mit Spannung erwartete Neuproduktion der Bayreuther Festspiele ist wie in jedem Jahr ein Großereignis. Wer nicht selbst vor Ort ist, kann trotzdem ganz unmittelbar und direkt dabei sein: Die Premiere wird live in zahlreiche Kinos übertragen. Und dies ist nur ein Höhepunkt von vielen in diesem so üppig und abwechslungsreich bestückten Festspielsommer 2017!