
EDITORIAL
Autorin: Y. Han · Ausgabe 02/2025||Das Spannungsfeld zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist im Musiktheater besonders groß – und wird bekanntlich viel diskutiert. Wer sich der Kulturszene besonders nahe fühlt und sich selbst ein eher ausgeprägtes Kunstinteresse und -verständnis zu attestieren geneigt ist, hat oftmals auch einen leichten Hang dazu, von einer Musiktheaterproduktion den Brückenschlag zum Heute, eine relevante Botschaft zu erwarten und straft eine ausschließlich auf historischen Charme setzende Inszenierung mit Naserümpfen ab ob ihrer vermeintlichen Einfallslosigkeit; andere Zuschauer wiederum erfreuen sich gerade an diesen „harmlosen“, einem Historienfilm gleichenden Aufbereitungen und verstehen nicht, warum es nicht noch mehr davon gibt. Es hat gute Gründe, dass ein Bombast, wie man ihn etwa aus Zeffirelli-Produktionen kennt, sich ungebrochener Popularität erfreut. Oper wie zu ihrer Entstehungszeit, das hat unbestritten etwas, und wir Menschen mögen ganz offenkundig die Zeitreise, bei der sich dem Auge etwas Schönes bietet und die Musik ohne großes Nachdenken wie ein Zeitzeugnis auf die Sinne wirkt.
Wie eine unserer Gesprächspartnerinnen der vorliegenden Ausgabe aber ganz richtig anmerkt: Vielen Opern wohnt bereits eine gewisse eigene Dualität aus Vergangenem und Zeitbezug inne, indem sie zu ihrer Entstehungszeit Handlungen einer anderen Epoche beispielsweise für das 19. Jahrhundert erzählten.%weiter%Auch die Beleuchtung durch die Gegenwarts- oder abstrakte Zukunftsbrille kann also durchaus im Dienste eines Stückes stehen, solange der Kern deutlich wird. Oftmals wird in der Argumentation für die größtmögliche Modernität die Befreiung des Musiktheaters von angeblicher Weltfremdheit und die angestrebte Annäherung ans heutige Publikum angeführt – dabei täte es der Kunstform hin und wieder gut, sich vom Anstrich des Abstrakt-Verkopften zu befreien und sich mehr aufs genuine Erzählen zu verlassen, das den Zuschauer nicht über Gebühr rätselnd zurücklässt. Gut und mit spürbarem Herzblut erzählte Geschichten sind vielleicht noch immer der verlässlichste Draht zum Zuschauerherz.
Damit überlasse ich Sie, liebe Leser, dann auch sehr gern direkt in die Lektüre der nachfolgenden Seiten, auf denen Sie in so mancher Rezensionen sowie vor allem auch in den Interviews ein wenig von all dem wiederfinden werden; die ansprechende historisierende Gefälligkeit, Bühnenbombast, anderswo den großen dramaturgischen Eingriff auf der Suche nach modernem Theater, sowie über allem die alle antreibende Sehnsucht nach guter Musik, nach gut erzählten Geschichten, verständlich ausgeformten Bühnenfiguren, die uns bestenfalls sogar einen Bösewicht verstehen lassen, vor allem aber nach so viel ehrlicher Begeisterung wie möglich für die Sache, das Musiktheater.||Ihre Yeri Han