EDITORIAL
Autor: R. Tiedemann · Ausgabe 1/2019
Wo die Liebe hinfällt! Zum ersten Mal überhaupt in der „Opernglas“-Geschichte ziert das Foto eines Ehepaares unser Titelbild. An Gelegenheiten hätte es in früheren Jahren keineswegs gemangelt, hat die Opernszene doch immer wieder auch abseits der Bühne schöne, romantische (oder melodramatische) Liebesgeschichten zu bieten. Thematisch wirklich relevant waren sie selten; umso bewusster nun die Wahl einer Story, die so gar nichts zu tun hat mit jener breitenwirksam inszenierten „Traumpaar der Oper“-Nummer, wie sie oft in den Boulevard-Medien ausgebreitet wird. Gabriela Scherer und ihr Mann Michael Volle sind davon gefühlt Lichtjahre entfernt. Und doch treffen ihre bemerkenswert offenen, ehrlichen Aussagen in diesem sehr lesenswerten Interview in manchen Punkten den Kern einer Problematik, die auch eine Anna Netrebko oder einen Roberto Alagna, um nur zwei besonders prominente Beispiele zu nennen, mit ihren jeweiligen aktuellen (oder früheren) Angetrauten beschäftigen dürfte; Stichworte: eigene/gemeinsame Wege, Prominenzgefälle, Vorurteile.
Weiter →Sehr sympathisch ist das Gespräch auch deshalb geworden, weil der Starbariton und seine Soprangattin so herrlich unprätentiös über die Alltäglichkeiten eines Sängerlebens plaudern. Was auf der Opernbühne oftmals mühelos und selbstverständlich wirkt, ist ja nicht nur Ergebnis intensivster Vorarbeit in Kombination mit körperlicher Höchstleistung, sondern eben auch ein Abend für Abend neu zu leistender Sprung aus dem „Normalen“ ins Rampenlicht. Allein dies kann ein ganz schöner, auch emotional fordernder Kraftakt sein, der uns als Publikum jeden Respekt abverlangt.
Zumal auf der Bühne nicht selten die ganz großen Gefühle gefordert sind, vor allem wenn es sich um eine der beliebten hochdramatischen Liebesgeschichten der Opernliteratur handelt: Von den Komponisten in herrlichste Musik gegossen, lässt uns das Musiktheater immer wieder neu – und wie gern! – mitleiden mit den mal tragisch endenden, mal letztlich doch glücklich vereinten Protagonisten. In den Premierenberichten auf den nachfolgenden Seiten erfahren Sie ausführlich, an welchem Theater auf der Gefühlsklaviatur gerade besonders gut gespielt wird, welche Stars begeisterten (oder enttäuschten), in welchem Ensemble es tolle Sängerentdeckungen zu machen gilt oder wo die Begegnung mit interessanten Raritäten lohnt.
Mitten in die Endredaktionsphase zu dieser Januarausgabe landete passenderweise eine Pressemitteilung in meinem Mailpostfach, die die Aufmerksamkeit auf ein großes, kommendes Jubiläum lenkt: „Fulminanter Auftakt“ ist sie überschrieben. Gemeint ist nicht etwa eine erste Attraktion des neuen Jahres, sondern das Beethoven-Jubiläumsjahr 2020, das bereits im kommenden Dezember mit ersten Feierlichkeiten beginnen wird – große Ereignisse werfen ihre Schatten weit voraus. Aber auch bereits im Jahr 2019 gilt es, einiger besonderer Jubiläen zu gedenken, unter anderem gleich mehrerer 200. Geburtstage: von Clara Schumann und -Stanislaw Moniuszko beispielsweise – beiden wäre in diesem Zusammenhang mehr Aufmerksamkeit zu wünschen – sowie von den Operettenmeistern Franz von Suppé und Jacques Offenbach, dessen große Opern gerade in viel beachteten Premieren auf die Bühne gelangten und den man in seiner Geburtsstadt Köln gleich mit einer ganzjährigen Aktion feiert unter dem augenzwinkernden Motto: „Yes We CanCan“. 150 Jahre her sind außerdem die Geburtstage von Hans Pfitzner und Siegfried Wagner, deren Œuvre und Lebensläufe aus diesem Anlass neu und kritisch zu beleuchten wären; nicht genug damit, werden die „runden“ Todesjahre von Hector Berlioz und Carl Loewe (beide 1869 gestorben) und Ruggero Leoncavallo (1919) genügend Anregungen bieten, sich intensiv mit ihren bekannten aber auch mit den weniger geläufigen Werken auseinanderzusetzen.
Ausreichend Themen also und sicher viele spannende Begegnungen auf, neben und hinter der Opernbühne. „Das Opernglas“ wird Ihnen dabei auch in den kommenden Monaten wie gewohnt ein kompetenter, informativer Begleiter sein. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leser, eine anregende Lektüre und ein schönes, gesundes, friedliches neues Jahr!